Jahr für Jahr für Jahr steigt die Produktivität der ArbeiterInnen, Maschinen und Computer ersetzen menschliche Arbeitskräfte, unsere Wirtschaft wächst, viele Unternehmen erzielen weltweit stetig steigende Gewinne. Dies führt dazu, dass immer weniger ArbeiterInnen immer mehr erwirtschaften. Aber allen „guten Wünschen“ zum Trotz lässt sich ein Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und mehr LohnArbeit nicht belegen. Durch die „Globalisierung“ findet zur selben Zeit eine weltweite Neuverteilung der Arbeit statt, und langsam aber sicher erhalten immer mehr Menschen in anderen Ländern Zugang zum „WeltArbeitsmarkt“. Die Verlagerung von Arbeitsplätzen ist ganz bestimmt auch eine Art Gerechtigkeitsausgleich, denn schließlich können wir ja nicht selbst alles für alle in unserem eigenen Land herstellen…
Eine Zeit lang konnte diese Entwicklung durch neue Technologien und steigende Bedürfnisse bei uns ausgeglichen werden. Möglicherweise würde diese Entwicklung etwas verlangsamt werden, wenn unseren Kindern in einem neuen Bildungssystem endlich wieder mehr wesentliche Lerninhalte vermittelt werden würden. Neue Technik wird neue Arbeitsplätze schaffen und die Produktivität wird steigen. Aber auch hier werden wiederum die Arbeitsplätze weniger. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass die neuen Technologien und Arbeitsmärkte mit den Produktivitätssteigerungen nicht mithalten können. Ob eine Situation erreichbar ist, in der alle Menschen durch LohnArbeit wieder ihren Lebensunterhalt erarbeiten können, wie es einstmals in Deutschland der Fall war, das kann niemand sagen. Aber in den nächsten Jahren wird dies ganz sicher nicht geschehen. Selbst der demographische Wandel als Patentrezept gegen Arbeitslosigkeit wird uns im günstigsten Fall kurzfristig und bestenfalls auch nur aus nationaler Sicht helfen. Sobald wir über unsere Grenzen hinausschauen, werden wir nämlich feststellen, dass diesbezügliche Hoffnungen jeglicher Grundlage entbehren. Sicher können wir – wie bei den Harz-Reformen beabsichtigt – versuchen jede Einzelne und und jeden einzelnen dazu zu animieren, sich um einen der raren Jobs zu bemühen. Allerdings ignorieren wir damit die gesellschaftlichen Entwicklungen. Somit wecken wir Erwartungen, die nicht erfüllt werden. Die damit verbundenen psychologischen Probleme sind kaum abzusehen. Sie werden aber sicher nicht zu Einsparungen im Gesundheitssystem führen.
Es kann uns nur gelingen damit umzugehen, wenn wir endlich begreifen, dass die strukturellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt auch ein gesellschaftliches Problem sind. Eine Herausforderung der nächsten Jahre wird dabei die Verteilung von LohnArbeit sein, was nicht ausschließlich Teilzeit bedeuten muss. Auch LebensArbeitszeitkonten wären eine praktikable Möglichkeit. Hierbei müssen wir uns endlich von einer rein nationalen Sichtweise lösen. Die Diskussionen um die Arbeitsplätze bei Opel haben doch gezeigt, dass auch hier „immer weniger ArbeiterInnen immer mehr erwirtschaften“. Und wenn sie das in Deutschland tun satt in Schweden, löst dies das Problem gewiss nicht. Denn die „Schwierigkeiten“ in Europa im Wechsel hin und her zu schieben – mit Subventionen – , ist ein teures und widersinniges Unterfangen und nur ein zeitliches Verschieben der Probleme. Dieses anscheinend vorhandene Geld sollte stattdessen dazu genutzt werden, die gegebenen Umstände besser zu bewältigen. Das gegenseitige Ausspielen der ArbeiterInnen in aller Welt ist aus Sicht der Unternehmen notwendig und logisch; es ist ihre Aufgabe in unserem kapitalistischen System. Das wachsende Ungleichgewicht zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage führt jedoch dazu, dass Menschen gegeneinander und gegen ihre Existenz ausgespielt werden. Und wenn zwei Menschen für einen Arbeitsplatz in der Höhe des Lohns bis an ihre Existenzgrenze gedrückt werden, läßt sich die Existenz des Unterlegenen kaum mehr sichern.
In Zeiten, in denen für viele Menschen keine LohnArbeit verfügbar ist, die ein ausreichendes Einkommen im Sinne gesellschaftlicher Teilhabe sichert, ist es aber die Aufgabe einer gerechten Gesellschaft, gerade dies zu ermöglichen. Hierzu beitragen könnte eine Grundsicherung, die unter anderem dazu führt, dass die Menschen im Wettbewerb um LohnArbeit eine ungleich bessere Verhandlungsposition bekommen. Die Bedrohung der Existenz und damit die Einschränkung der Selbstbestimmung könnten damit beendet werden. Eine solche Grundsicherung würde es den Menschen ermöglichen, Tätigkeiten zu übernehmen, die im heutigen Sinne keine LohnArbeit sind. Hier kommen mir zwar viele Beispiele in den Sinn, aber am wichtigsten sind doch jene, die mir an dieser Stelle nicht einfallen. Heute gibt es in vielen Situationen „nur diese eine Lösung “, wie Schröder und Co. uns einzureden versuchen, Situationen, in denen der letzte Ausweg schon feststeht und gar nicht mehr nach anderen Wegen gesucht wird. In Zeiten wie diesen brauchen wir viele neue Ideen und Menschen sind meistens dann am kreativsten, wenn sie nicht dazu gezwungen werden. Jeder Mensch in Deutschland könnte den Vorschlag haben, um die Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen oder einen Krieg zu verhindern. Jeder Mensch kann dazu beitragen, dass wir in einer besseren Welt leben.
Viele mögen jetzt denken, eine solche sozialere, gerechtere Gesellschaft sei reine Utopie. Haben aber nicht auch viele einst das Ende der Atomkraftwerke in Deutschland für eine Utopie gehalten? Dennoch ist letzteres inzwischen möglich geworden. Und genauso werden wir BündnisGrünen auch ersteres erreichen, wenn man uns weiterhin das Mandat dazu überträgt, denn gewiss gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, unsere Gesellschaft zum Vorteil für uns alle weiter zu entwickeln. Diese zu diskutieren ist mein Ziel und sollte auch das von uns allen sein. Gerade wir EuropäerInnen haben dabei die Möglichkeit, von unseren vielfältigen Erfahrungen zu profitieren. Die Europäische Einigung mit all ihren Höhen und Tiefen, mit all ihren Stärken und Schwächen zeigt uns doch, dass eine übernationale Herangehensweise zum Vorteil aller werden kann. Die großen Erfolge für die Menschen in Europa liegen in Zeiten großer Gemeinsamkeiten. Heute, in einer Zeit des „nationalen Denkens“ vieler Regierungen, steht sehr viel auf dem Spiel. Die gegenseitige Konkurrenz führt in vielen Fällen im besten Fall zu kurzfristigen und einseitigen Vorteilen. Langfristig jedoch verlieren wir alle. Das fängt bei allseitigen Arbeitsplatzsubventionen an und endet bei Steuerdumping.
Es gab einmal einen deutschen Politiker, der sagte vor nicht allzu langer Zeit etwas wie: „Die Unterstützung der gesellschaftlich schwächeren, dient den Interesse aller, denn nur gemeinsam kann sich unsere Gesellschaft bestmöglich entwickeln“. Dessen müssen wir uns immer wieder bewußt werden. Weltweit, in Europa und bei uns zu Hause.
Stefan Ziller