Am 27. Januar 2023 wurde wieder überall in Deutschland der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee gedacht. In Deutschland ist dieser Tage seit 1996 auf Anregung des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog ein gesetzlich verankerter Gedenktag. Die Vereinten Nationen erklärten den 27. Januar im Jahr 2005 zum Internationalen Gedenktag für die Opfer des Holocaust.
Aus gutem Grund wird in unserem Bezirk seit einigen Jahren das Stille Gedenken dezentral organisiert. Das BfDT koordiniert, wer an welchem Gedenkort eine Feier gestaltet. Wir haben wieder vor dem Haus Oberfeldstraße 10 des Arztes Dr. Arno Philippsthal gedacht. Hier betrieb er seine Praxis.
Er war ein jüdischer Arzt, bekannt und beliebt. Ein Arzt, der sich nicht nur dem Ethos des Hippokrates verpflichtet fühlte, sondern ein Arzt, der auch soziale Verantwortung übernahm, indem er seine Honorarforderungen dem Geldbeutel seiner Patient*innen anpasste. Ein Arzt, der, wenn er die Not sah, auch unentgeltlich behandelte. Ohne Begründung oder Haftbefehl wurde er am 21. März 1933 in seiner Praxis festgenommen, in der Kaserne der Feldpolizei so misshandelt, dass er am 3. April 1933 an den Verletzungen starb. Eine juristische Verfolgung wurde zweimal, im August 1933 und im Jahre 1948, aufgenommen, aber niedergeschlagen.
Unser Fraktionsvorsitzender Nickel von Neumann zitierte aus Brechts Drama „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“, einer Parabel auf Machtergreifung und -ausbau angesichts des Wissens, dass das verhindert hätte werden können und sich nicht wiederholen darf. Sein Appell an alle Mitbürger:innen gerichtet: Lassen Sie Diskriminierung und Rassismus in ihrem Umfeld nicht zu, dann gedenken wir Arno Philippsthal und den vielen Opfern des Nationalsozialismus angemessen!
Zeitzeug*innen werden weniger und wird es eines Tages nicht mehr geben. Sie sind die, die den schrecklichen Fakten und Zahlen eine wichtige emotionale Komponente, die des eigenen Erlebens, hinzufügen können. Erschreckend sind die Zahlen des historischen Unwissens bei jüngeren Menschen hier in unserem Land. Umso mehr sind wir darauf angewiesen, dass in den Schulen nicht nur informiert wird, sondern in Projektarbeit die Schüler*innen emotional angerührt werden. Petra Pau, die sich unserem Gedenken angeschlossen hatte, berichtete von einem Erlebnis in einer Grundschule aus Hohenschönhausen. Schüler*innen hatten nach vorhergehenden Recherchen und Begegnungen ein Theaterstück erarbeitet und aufgeführt, das 100 anwesende Kinder mucksmäuschenstill werden ließ.
Nur so können die Ehrung und das Gedenken an bspw. Arno Philippsthal gewahrt bleiben. Nur so können Wille und Engagement zivilen Wiederstands entzündet werden, die notwendig sind, um unser Leben in Demokratie und Freiheit zu garantieren.
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