Robert Shaw vom Prinzessinnengarten und Bernadette Kern im Gespräch über interkulturelle Gärten im Bezirk
Seit letztem Sommer haben die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft Carola-Neher-/Ecke Maxie-Wander-Straße in ihrem Hof einen Gemeinschaftsgarten. Begleitet wurde das Projekt von der gemeinnützigen Nomadisch Grün GmbH, die den Kreuzberger Prinzessinnengarten betreibt. Dessen Erfinder Robert Shaw und Grünen-Bezirksvorsitzende Bernadette Kern sprechen über den Gewinn, aber auch die Grenzen von Integration durch Gärtnern.
Warum ein Garten für Geflüchtete?
Robert Shaw: Aktuell erklärt sich das ja von selbst: zur Integration. Aber das Projekt war auch schon vorher da. Wir haben als Prinzessinnengarten mittlerweile sozusagen ein Tochterunternehmen, das Gärten außerhalb initiiert und dann weiterbetreut. Das heißt, wir kommen irgendwo hin, bauen mit den Menschen gemeinsam einen Garten auf, begleiten sie eine Weile und versuchen im Prozess herauszufinden: Wie funktioniert das? Was sind die Bedürfnisse der Leute? Wir lernen dabei voneinander. Das sind Menschen mit Behinderungen, Schulen, Nachbarschaftszentren, Familienzentren, auch eine Trauergruppe gibt´s im Prinzessinnengarten. Vor zwei Jahren haben wir das erste Mal auch mit Geflüchteten gearbeitet. Dabei hatten wir das Gefühl: Da gibt es noch viel zu lernen. Daher haben wir das weiterverfolgt.
Sie betreuen insgesamt drei Gärten an Flüchtlingsheimen. Was ist das Besondere an dem Projekt in Marzahn-Hellersdorf?
Robert Shaw: Der Garten in der Carola-Neher-Straße ist wirklich toll. Also, ich habe noch nie so lebhafte und so teilnehmende Kinder gesehen wie in diesem Garten. Die hatten so viel Energie, dass sie nach dem Aufbau gleich wieder kaputtgemacht haben, was sie vorher aufgebaut hatten. Aber sie waren trotzdem wahnsinnig freundlich und zutraulich und toll, obwohl sie ganz viel Verantwortung übernehmen. Wir haben aber auch gemerkt, dass ein partizipatives Gärtnern vor der Haustür die Bedürfnisse der Erwachsenen nicht wirklich befriedigt. Sie wollen formal und auch sozial integriert werden und dafür ist ein Garten in den Grenzen des Flüchtlingsheims nicht geeignet. Und daher haben wir dann im letzten Jahr zusammen mit dem Kinder- und Jugendbeteiligungsbüro ein sehr schönes Nachbarschaftsfest organisiert, an dem die Geflüchteten als Gastgeber fungiert haben.
Sie haben gesagt, man lernt voneinander. Wie kann man sich das vorstellen, wenn Menschen, die unterschiedliche Sprachen sprechen, gemeinsam gärtnern?
Also erstmal ist das Gärtnern langsamer, natürlich auch mühsamer und es muss auch fehlertoleranter sein. Aber gerade Gartenarbeit ist in gewisser Weise selbsterklärend. Wenn man einmal angefangen hat, können Menschen sehr gut mitmachen. Zum Beispiel hat uns ein Mann gezeigt, wie man in Afghanistan Schnittlauch sät. Der musste dafür gar nicht Deutsch sprechen, der musste einfach nur den Schnittlauch säen.
Wie ist das Projekt entstanden?
Bernadette Kern: Ich habe als Vorsitzende des Umweltausschusses das Thema Urban Gardening mit auf das Programm genommen. Dadurch haben wir uns kennengelernt – aber auch durch ein anderes Projekt. Weil unser Rathaus am Springpfuhl so grässlich aussah und die Balkonkästen nicht mehr gepflegt waren, haben wir einen Antrag gestellt, das Rathaus wieder neu erblühen zu lassen. Und da haben wir uns gefragt: Wer könnte da Zwiebeln etc. spenden und wer könnte uns beraten, wie man das überhaupt ohne riesige Finanzausgaben hinkriegt. Da kam diese Verbindung zustande.
Robert Shaw: Das stimmt. Ich habe dann einen Vortrag im Umweltausschuss gehalten. Ich war ganz überrascht darüber, wie groß das Interesse an dem Thema war. Das Projekt in der Carola-Neher-Straße lief aber unabhängig davon über das Kinder- und Jugend-Beteiligungsbüro.
Bernadette Kern: Parallel dazu lief noch der Antrag der Grünen, einen Integrationsgarten auf der IGA einzurichten. Dass die IGA nachhaltig und ökologisch laufen soll, haben wir ja als Grüne eingebracht. Inhalt des Antrags war zu gucken: Kann man so ein Projekt in der Laufzeit der IGA und mit der Unterstützung der Fachleute, die da zur Verfügung stehen, verwirklichen? Wir hatten Robert Shaw eingeladen um erstmal zu klären: Was ist eigentlich Urban Gardening, was ist ein Integrationsgarten, was sind interkulturelle Gärten? Und: Was ist in Marzahn-Hellersdorf möglich und was muss man unterstützen? Das sind verschiedene Facetten, die sich da ergeben haben.
Wie geht es weiter in der Carola-Neher-Straße?
Robert Shaw: Ich muss sagen: Im sozialen Bereich war das sehr erfolgreich. Es war einfach ein guter Anfang für den Ort, für die Menschen und für die Integration in die Umgebung. Wir haben sehr positive Signale, dass es aus demselben Topf weitergefördert werden kann. Weil wir dort einen so einen großen Bedarf gesehen haben, haben wir versucht, das Projekt konzeptionell zu erweitern. Deswegen ist ein zusätzlicher Finanzbedarf entstanden. Also, da fehlt noch ein bisschen was, bis wir das in der Form, wie wir es wollen, hundertprozentig weitermachen können.
Bernadette Kern: Euer Konzept ist ja: Ihr gebt die Initialzündung und dann geht es relativ von allein weiter. Und hier haben wir gesagt: Das muss ein bisschen länger laufen, man braucht für die Initialzündung ein Stückchen länger. Ein großes Problem ist, dass bei den Sozialarbeitern, die für ein Stückchen Kontinuität sorgen könnten, eine sehr große Fluktuation da ist.
Robert Shaw: Die sind auch komplett überlastet. Das ist hier so und auch in dem Projekt, in dem wir mit Behinderten arbeiten: Es gibt Gruppen, da dauert die Verständigung etwas länger. Und die Verständigung ist ja Voraussetzung dafür, dass wir dieses Initial leisten können.
Sie haben sicherlich im Moment viele Anfragen von Flüchtlingsprojekten?
Robert Shaw: Ja, das stimmt. Wir sind aber auch selber aktiv. Wobei ich glaube, wir haben bei dem Projekt in der Carola-Neher-Straße doppelt so viel gearbeitet, wie uns gezahlt wurde. Das können wir aber auf Dauer nicht durchhalten. Der Prinzessinnengarten ist zum überwiegenden Teil selbst finanziert durch eigene Arbeit und der muss auch Kern und finanziertes Zentrum bleiben. Viele Anfragen kommen aus dem Bereich der ehrenamtlichen Arbeit. Den Garten in Kreuzberg gibt es seit sieben Jahren und man kann von Menschen nicht erwarten, dass sie sieben Jahre ehrenamtlich arbeiten. Insofern hängt das oft an der Finanzierung. So gerne wir würden, wir haben auch den Anspruch, dass die Projekte, die wir machen, sozial nachhaltig sind. Wir mögen das überhaupt nicht, ein Initial zu leisten und dann an einem Punkt zu gehen, an dem schon absehbar ist, dass es nicht funktionieren würde.
Da ist dann die Politik gefragt?!
Bernadette Kern: Ja, deswegen haben wir das Thema in den Ausschuss und damit in die Politik mit reingeholt. Und das, was uns immer wichtig ist – auch in Zusammenhang mit der IGA – ist die Frage der Partizipation. Das gemeinsame Entwickeln kostet Zeit. Du sagst nicht in deiner Kompetenz als Gärtner oder als Politiker: „So zack, hier ist das Konzept“, sondern das ist eine Sache, die miteinander entwickelt wird. Da muss man deutlich machen, dass das auch etwas kostet. Das ist wichtig, immer wieder reinzubringen, dass ideelle Ziele nicht nur privat und unentgeltlich und mit der doppelten Arbeitszeit erreicht werden können.
Robert Shaw: Beim Thema Geflüchtete ist das natürlich auch unsere Entscheidung, das so zu machen. Da stehe ich voll dahinter.
Bernadette Kern: Aber es geht eben nicht auf Dauer. Man muss immer wieder in die Politik reinbringen, um für solche Dinge auch Gelder bereitzustellen.
Wie sind die Rückmeldungen im Bezirk? Sie haben einen Preis bekommen – das ist ein positives Signal.
Bernadette Kern: Wenn so etwas wie ein Umweltpreis da ist, guckt man schon eher hin. Konkrete Rückmeldungen könnte jetzt jedoch nur in der Form benennen, dass der Antrag zum Integrationsgarten nach ewigem Hickhack beschlossen worden ist. Steter Tropfen höhlt den Stein. Das kann man schon so sagen.
Das Gespräch führte Inga Dreyer.
Ihren frisch angelegten Garten haben die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft Carola-Neher-/Ecke Maxie-Wander-Straße Ende September mit einem Nachbarschaftsfest eingeweiht. Anfang Dezember wurde das Projekt mit dem Umweltpreis des Bezirks Marzahn-Hellersdorf ausgezeichnet. Entstanden ist der Integrationsgarten in Kooperation zwischen dem Kinder- und Jugendbeteiligungsbüro sowie dem Kreuzberger Prinzessinnengarten und wird über das Programm Soziale Stadt und Mittel des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes finanziert. Der Grundstein für diese und andere Ideen rund um das Thema Urban Gardening wurde im Umweltausschuss des Bezirks gelegt. Ein weiteres Projekt, das die Grünen-Fraktion auf den Weg bringen will, sind Integrationsgärten auf der IGA.
Dieser Beitrag ist zuerst in einer gekürzten Version in der Zeitung Grüne Aussichten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Marzahn-Hellersdorf erschienen.
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